Bauernschaft, Nachkriegszeit, Boom, Moderne: Marl in Bildern
Optisch würde man Gert Eiben als archaisches Mastermind hinter einer komplexen Maschine verorten. Bahnbrechende Dinge erfindend, die der Menschheit entweder Prosperität oder Untergang bringen. Christian Schiltz dagegen Repräsentant einer Subkultur, in der feinste Gitarrenklänge und brachiale Melodien vorherrschen. Das ist nicht ganz falsch – über Freizeitaktivitäten haben wir uns nicht unterhalten – initiativ sind sie aber die Schaffer des Werkes „Marl gestern und heute“. Ein historischer Bildband, den Eiben mit fachkundigem Know-How rund um die Entstehungsgeschichte Marls gefüllt hat. Schiltz ließ dazu die Orte der Vergangenheit in Atmosphäre und Farbe neu erstrahlen. Wer nun wissenshungrig ist, kann sich den wunderbaren Bildband kaufen. Hier ein kleiner Sneak-Peak:
Kneipenkult in Marl
100 Jahre zu bestehen ist schon ein Rekord. „Mulvany’s Irish Pub“ hält ihn – quasi. Um 1920 zog die Gastronomie erstmals in das alte Fachwerkhaus. Wirt Josef Halstrick nannte es „Bügeleisen“ – der Grundriss des Hauses glich dem Haushaltsgerät. Gefeiert wurde hier viel, aber nicht groß. Es fehlte ein Saal. Den konnte der „Lindenhof“ an der Breiten Straße bieten, der schon seit 1732 eine Schankerlaubnis hatte. Hier ging's immer hoch her: Kaisers Geburtstag, Maskenbälle, Frauenversammlungen, Vereinsgründungen. Eine dritte Gaststätte ist mittlerweile aus der Mitte des alten Dorfes verschwunden: Die Kornbrennerei Heinrich Prost. Sie war das Stammlokal der Marler Handwerker und wurde 1971 für die Verbreiterung der Breiten Straße abgerissen. Das Nachtleben in Marl ist geschrumpft. Tradition hat aber Bestand: Der „Mulvany’s Irish Pub“ und der „Lindenhof“ stehen heute unter Denkmalschutz. Prost!
Adieu Rue Romantique
Marl sollte modern werden. Das Alte muss weichen. So das Credo der Nachkriegszeit. Die Konsequenzen lassen sich am Anfang der Bergstraße in Hüls ablesen. Damals war es eine romantische Allee mit zweigeschossigen Wohnhäusern auf der einen und Geschäftshäusern auf der anderen Seite. Bäume, Vorgärten, Kleinstadtidyll. Nach 1950 wurde eine Seite abgerissen, um Fahrbahnen amerikanischen Ausmaßes zu bauen. Marl sollte autogerecht sein. Teilweise vierspurig. Trotzdem: Etliche Siedlungen aus der Zeit des Bergbau-Booms sind heute noch schmalspurig. Ein Rückbau der überbreiten Straßen ist kaum möglich und bei der Bundesstraße B 225 bereits gescheitert.
Glanz und Auguste Victoria
Das imposante Verwaltungsgebäude der Gewerkschaft Auguste Victoria in Hüls setzte jahrzehntelang ein Zeichen. So mächtig, so wichtig war die Zeche für Hüls und für ganz Marl. Das Ende der 1920er Jahre errichtete Gebäude war im Sinne des Wortes „überragend“. Eine Luftmine beschädigte es im März 1945 schwer. Beim Wiederaufbau wurde auf das Türmchen, in dem sich das Treppenhaus befand, verzichtet. Das Gebäude wurde um eine Etage gehöht und mit einem Flachdach versehen. Man muss schon genau hinschauen, um den ursprünglichen Bau wiederzufinden. Schade eigentlich.
Info
Marl gestern und heute
ISBN: 978-3-96303-403-9
Mehr historische Bilder aus Marl gibts in der
Facebook-Gruppe „Marler Fotoschätze retten“